Was wäre, wenn Tesla mit seinem disruptiven Konzept am Ende wäre?

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Tesla Cybertruck

Wenige Industriechefs sind bereit, über die Strategie von Tesla zu debattieren. So auch Carlos Tavares, der Chef seines Konkurrenten Stellantis.

Das Gespräch begann Ende April bei der Einweihung einer neuen Fertigungsstraße für Automatikgetriebe für Hybridmodelle der Stellantis‑Gruppe in Metz. Auf die Frage nach dem seit einigen Monaten von Tesla angezettelten Preiskrieg, mit dem die sogenannten „traditionellen“ Hersteller aufgemischt werden sollen, blieb der Chef des sechstgrößten Automobilkonzerns der Welt stoisch. Man muss auch sagen, dass die Kennzahlen positiv sind, mit einem Umsatz von 179,6 Milliarden Euro im Jahr 2022 und vor allem einem Nettogewinn von 16,8 Milliarden Euro.

Stellantis hat die finanziellen Mittel, um seine industrielle Umstellung auf Elektromobilität voranzutreiben, und die Stärke seiner 15 Marken (Abarth, Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Dodge, DS, Fiat, Fiat Professional, Jeep, Lancia, Maserati, Opel, Peugeot, Ram, Vauxhall) sichert ihm eine von Wettbewerbern heute beneidete Stabilität. Diese Rentabilität schützt das Unternehmen zudem vorerst vor dem von Tesla (aber auch einigen chinesischen Herstellern) beschleunigten Preiskrieg, mit dem schneller ein Teil des noch fragilen Marktes erobert werden soll, insbesondere in Europa.

Das Gewicht des industriellen und sozialen Erbes der etablierten Hersteller ist ein Vorteil für Tesla und die chinesischen Firmen, die von Anfang an elektrisch aufgestellt sind. Tesla verfügt über zahlreiche Stärken (Innovation, Markenimage, Ladenetz), hat aber auch erhebliche strukturelle Schwächen. Allen voran vielleicht sein CEO, Elon Musk, der sein Unternehmen wie einst Steve Jobs bei Apple personifiziert. Diese charismatische, zukunftsorientierte Figur, die Trends antizipiert und Risiken eingeht, hat jedoch auch eine unberechenbare Persönlichkeit, und seine kontroversen Tweets können das Image des Unternehmens beeinträchtigen und die Finanzmärkte stören.

Im Blick der Börse

Die Finanzmärkte glaubten an Teslas disruptives Projekt zu dem Zeitpunkt, als das Bewusstsein für Ökologie und der Umstieg auf das Elektroauto sich abzeichneten. Seitdem hat sich die Liebesgeschichte jedoch abgekühlt, und die Marktkapitalisierung ist von 309 Milliarden Dollar (eine spekulative Zahl, größer als alles, was es in der Branche gibt) im September 2022 auf 108 Milliarden im Januar 2023 abgestürzt. Das Auf und Ab setzt sich je nach den spektakulären Ankündigungen von Musk und den enormen Preisnachlässen auf seine Fahrzeuge fort, wobei die Marktbewertung im Februar 2023 wieder auf 215 Milliarden kletterte, um derzeit auf etwa 160 Milliarden zurückzufallen.

Carlos Tavares beobachtet selbstverständlich all diese Schwankungen genau. Je mehr Tesla wächst, neue Kunden gewinnt und Neuwagen verkauft, desto eher werden mit der Zeit Probleme auftreten. Wartung, Garantie, Netz, der permanente Innovationsdruck, Marketingausgaben. Diese sind heute kaum vorhanden, weil das Unternehmen jung und angesagt ist, aber das wird nicht so bleiben. Das Beispiel Apple erinnert daran. Der Kundendienst wird von enttäuschten Kunden besonders kritisiert. Und mit jedem Tag formiert sich die Gegenwehr der traditionellen Hersteller. Deren Kundschaft ist zudem relativ loyal und darauf bedacht, beim Wechsel vom Verbrenner zum Elektroauto beraten und begleitet zu werden. Der psychologische Aspekt darf beim Fahrzeugkauf nicht unterschätzt werden, dem zweitgrößten Investment einer Familie nach der Wohnung.

Stellantis muss nicht auf Tesla reagieren, weil der Preis unserer Fahrzeuge deutlich unter dem von Tesla liegt,

hat der Chef der Stellantis‑Gruppe bei der eingangs erwähnten Einweihung mit einem Anflug von Provokation gesagt. Für uns ist das also keine dringende Frage, das ist eine Frage für Tesla, das im Vergleich zum Rest des Marktes sehr hohe Preisniveaus hatte. Wir haben gesehen, dass die Ergebnisse des ersten Quartals 2023 für dieses Unternehmen (Tesla. Anm. d. Red.) einen starken Rückgang seiner Gewinne verzeichneten (-24 % im Jahresvergleich, auf 2,51 Milliarden Dollar. Anm. d. Red.), was bedeutet, dass dies irgendwann andere Probleme für dieses Unternehmen aufwerfen wird. Wenn es sich nun im Verhältnis zu dem, was den Marktstandard darstellt, anpassen will, ist das eine Entscheidung, die ich voll und ganz respektiere.

Die gesamte Sanierungsstrategie der Stellantis‑Gruppe, die von Carlos Tavares vorgegeben wurde, bestand darin, die Fahrzeuge hoch zu positionieren und damit die Preise anzuheben, um die Marge zu erhöhen. Es ist künftig untersagt, diese zu drücken mit der Ausrede, Tesla und andere asiatische Firmen könnten einen Bluff versuchen, um sich in die Sonne zu stellen. Der Einstiegspreis für einen Tesla in Frankreich liegt inzwischen bei 41.990 Euro, abzüglich der 5.000 Euro Umweltprämie also 36.990 Euro. Bei Stellantis beginnt eine Peugeot e‑208, die Referenz im Markt der Elektroautos, bei 29.800 Euro nach Abzug des Bonus.

Worauf Carlos Tavares im Wesentlichen hinauswill, ist, dass nicht jeder sich einen Tesla leisten kann und dass der Großteil der Verkaufsvolumen erfahrungsgemäß nicht in den von Elon Musk angestrebten Nischen liegen wird. In Frankreich liegt der Durchschnittspreis für einen Neuwagen bei 26.000 Euro, in Europa bei 27.500 Euro. Der Pickup Cybertruck mit futuristischem Look mag zwar auffallen, ist jedoch schnell veraltet, wenig praktisch und überteuert; der seit sechs Jahren versprochene Roadster 2.0 mit 1000 PS ist immer noch nicht auf dem Markt, ebenso wenig wie der Semi zum Ziehen von Anhängern. Tesla wird sich zunehmend auf exzentrischere Modelle beschränken, während Finanzanalysten verzweifelt auf ein wirklich wettbewerbsfähiges Einstiegsmodell warten… Dann aber müsste man sich mit den asiatischen Herstellern messen, die sehr große Stückzahlen und sehr geringe Margen haben. Die Startverzögerungen häufen sich, die unerfüllten Versprechen und die Verärgerung auch.

Die technologische Entwicklung wird die Debatte über Reichweiten schnell nivellieren und Teslas Vorsprung wird dahinschmelzen. Es zeichnet sich auch eine Parallelüberlegung zur Frage der Reichweite ab: Im Alltag ist es unnötig, ein schweres und teures Fahrzeug zu besitzen, das 500 km fahren kann. Der entstehende Trend geht zu kleinen, erschwinglichen und weniger leistungsstarken Autos. Die Vergeudung von kW ergibt keinen Sinn mehr. Energieeffizienz gewinnt wieder an Bedeutung: weniger Leistung, einfachere Mechaniken und vor allem weniger Batterie. Nur Premiumhersteller wie Audi, BMW oder Mercedes wären langfristig wirklich von der invasiven Präsenz von Tesla betroffen.

Hat Tesla eine Glasdecke erreicht und ist seine Preispolitik ein Zeichen eines letzten Aufbäumens? Von seiner Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen, wird seine langfristige Entwicklung abhängen.

ZUM Weiterlesen : Tesla stürzt an der Börse… zu Unrecht?

This page is translated from the original post "Et si Tesla était arrivé au bout de son concept disruptif ?" lang Französisch.

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