Warum Michelin seine Reifen für Elektro-Lkw neu erfindet?
Der Aufstieg des Elektro-Lkws weltweit zwingt den französischen Hersteller dazu, neue Produkte zu entwickeln, die für diese Anforderungen konzipiert sind.
Auf den ersten Blick sieht ein elektrischer Lkw seinem Diesel-Pendant täuschend ähnlich. Dieselbe massive Silhouette, derselbe Anhänger, dieselben Abmessungen (vorgeschrieben durch die Vorschriften) auf der Straße. Doch unter der Karosserie ändert sich alles. Und dieser Unterschied macht auch vor… den Reifen nicht halt.
Michelin hat gerade seine X® MULTI Z2 & D2-Reihe in 19,5 Zoll eingeführt, entwickelt für regionale und städtische Lieferungen. Eine Kleinigkeit? Keineswegs. Denn mit dem Elektroantrieb wird der Reifen zu einer großen technischen und wirtschaftlichen Herausforderung.
Das erste Problem ist das Gewicht. Die Batterien, die einen elektrischen Schwerlast-Lkw antreiben, bringen im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug mehrere hundert Kilogramm zusätzliche Last pro Achse. Schon im Stillstand drückt diese Masse auf die Karkasse der Reifen, erhöht deren Verformung und beschleunigt deren Alterung. Doch der Unterschied wird in Bewegung noch größer: Im Kreisverkehr oder bei starkem Bremsen vervielfacht die Trägheit eines schwereren Lkws die Belastungen der Reifen. Michelin musste seine Tragfähigkeitsindizes überarbeiten: Einige Modelle der neuen Serie tragen nun bis zu 6,3 Tonnen pro Achse, also etwa 300 kg mehr als die vorherige Generation.
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Elektro-Lkw: Der Albtraum der Reifen!
Zu diesem Übergewicht kommt eine weitere Besonderheit des Elektroantriebs hinzu: das sofortige Drehmoment. Im Gegensatz zu einem Dieselmotor, der seine Leistung allmählich abgibt, überträgt ein Elektromotor seine Kraft von Beginn an voll. Jede rote Ampel wird so zur Herausforderung für die Reifen, die plötzlich sehr hohen Belastungen ausgesetzt sind, was deren Verschleiß beschleunigt. Das Drehmoment ist sogar so stark, dass Michelin bereits seine Art, Reifen und Felgen zu kombinieren, überdenken musste, da sich sonst die Felgen im Reifeninneren drehten!

Das regeneratives Bremsen, das den Motor zum Verzögern des Fahrzeugs nutzt, bringt eine zusätzliche Belastung mit sich, vor allem auf den Hinterachsen. Das Ergebnis: Während ein Diesellkw bis zu 120.000 Kilometer mit den Vorderreifen fahren kann, bevor sie erneuert werden müssen, kann sich diese Lebensdauer bei einem Elektro-Lkw ohne angepasste Reifen auf nur 80.000 bis 90.000 Kilometer verkürzen.
Auch die Traktion ist ein entscheidendes Thema. Elektro-Lkw fahren hauptsächlich in der Stadt und im Stadtrandbereich, wo sich die Straßenbeläge ständig ändern: glatter Asphalt, feuchte Pflastersteine, rutschige Fahrbahnmarkierungen. Und ein Reifen, der zu viel Last trägt, verliert schnell an Effektivität, besonders bei Regen. Michelin verweist auf Tests mit DEKRA, bei denen selbst abgefahrene Reifen der neuen X® MULTI Z2 & D2-Reihe bis zu 8 Meter kürzer bremsen als manche Wettbewerber. Acht Meter entsprechen etwa zwei Lieferwagen – eine Distanz, die darüber entscheiden kann, ob ein unachtsamer Fußgänger mit einem Schrecken davonkommt oder im Sarg endet…
Eine neuartige Konstruktion
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat Michelin in seinem X® MULTI Z2 & D2-Sortiment mehrere eigene Innovationen integriert: eine durch Nylon verstärkte Karkasse (Duracoil), stärkere und leichtere Stahlkabel (Powercoil) sowie Laufstreifenprofile, die sich im Laufe des Verschleißes „regenerieren“ können (Regenion).
Diese Technologien zielen darauf ab, die Lebensdauer der Reifen zu verlängern, eine optimale Traktion zu gewährleisten und den Rollwiderstand zu verringern. Letzteres ist keineswegs unerheblich: Ein schlecht optimierter Reifen kann täglich mehrere Dutzend Kilometer Reichweite kosten – was für einen elektroangetriebenen Lkw mit ohnehin eingeschränkter Reichweite besonders gewichtet.
Für Transportunternehmen ist die Frage auch wirtschaftlicher Natur. Der Umstieg auf Elektro bedeutet bereits eine hohe Investition: teurere Lkws, Ladestationen, neue logistische Herausforderungen. Wenn dann auch noch die Reifen 30 % häufiger gewechselt werden müssen, ist das Modell nicht tragbar.
Die elektrische Revolution im Schwerlastverkehr betrifft also nicht nur Batterien oder Motoren. Sie entscheidet sich auch an der unscheinbarsten Stelle des Fahrzeugs: dem Reifen, jenem Stück Gummi, das die Verbindung zwischen Dutzenden Tonnen und wenigen Zentimetern Asphalt herstellt.
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This page is translated from the original post "Pourquoi Michelin réinvente ses pneus pour camions électriques ?" lang Französisch.
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